Dieser Meinungsbeitrag wurde in der Finews vom 07.10.2024 veröffentlich.
Die Finma hat mit ihren neuen Regeln zu Stablecoins die Blockchain-Branche in Aufruhr versetzt. Weshalb die neue Praxis dem Finanzplatz und dem Innovationsstandort Schweiz schaden, schreibt Ralf Zellweger in seinem Beitrag für finews.first.
Stablecoins – neben Bitcoin wohl das bislang erfolgreichste Produkt der Blockchain-Technologie – stehen in der Schweiz unter massivem Druck. Ende Juli hat die Finanzmarktaufsicht Finma eine neue Aufsichtsmitteilung veröffentlicht, die in der Branche zu einem Aufschrei geführt hat, den die Swiss Blockchain Federation in ihrer Stellungnahme klar artikulierte.
Die Finma reagierte auf einen entsprechenden Artikel auf finews.ch, indem sie ebendort in einem Beitrag darlegte, dass alles eigentlich nur eine Präzisierung bereits bestehender Regeln sei. Ein grosses Missverständnis also?
Würden die Ausführungen der Finma in ihrer Mitteilung wörtlich ausgelegt, würde das nichts weniger als die Abschaffung von digitalem Bargeld durch die Hintertür bedeuten. Stablecoins sind digitale Währungen, die wie Bargeld funktionieren. Sie ermöglichen direkte Zahlungen von Person zu Person, ohne dass Banken, Zahlungsdienstleister oder andere Intermediäre notwendig sind. Diese Barrierefreiheit macht sie zu einer schnellen und kostengünstigen Alternative zu herkömmlichen Zahlungssystemen.
«Das ist, als würde man bei jeder Barzahlung einen Ausweis vorzeigen müssen»
Ein zentraler Aspekt ist der Unterschied zwischen den zwei Arten von Wallets, also der Form, wie Stablecoins gehalten werden können:
- Non-custodial Wallets: Diese fungieren wie ein echtes Portemonnaie in digitaler Form. Der Besitzer hat die vollständige Kontrolle über seine Vermögenswerte, und der Anbieter stellt lediglich die technische Infrastruktur bereit. Der Anbieter hat keinen Zugriff auf die Vermögenswerte. Über die Blockchain können Zahlungen direkt zwischen Sender und Empfänger abgewickelt werden – ohne Intermediäre.
- Custodial Wallets: Diese sind vergleichbar mit Bankkonten. Banken und Fintechs verwalten die Vermögenswerte zentral und haben die Kontrolle über die Transaktionen und Vermögenswerte. Das bedeutet, dass sie Transaktionen genehmigen, überwachen und gegebenenfalls blockieren können. Nutzer müssen sich identifizieren und darauf vertrauen, dass der Anbieter die Vermögenswerte sicher verwaltet und die Transaktionen entsprechend abwickelt.
Die von der Finma verkündete «präzisierte» Praxis zielt darauf ab, auch Non-custodial Wallets strengen Identifikationspflichten zu unterwerfen. Das ist, als würde man bei jeder Barzahlung einen Ausweis vorzeigen müssen. Doch bereits jetzt gelten strenge Vorschriften zur Vermeidung von Geldwäscherei: Bei der Umwandlung von Stablecoins in Bankwährung ist ab 1’000 Franken eine Identifikation erforderlich – deutlich strenger als bei physischem Bargeld, das erst ab 10’000 Franken kontrolliert wird.
«Die Finma zementiert damit die Struktur an etablierten Playern im Zahlungsverkehr»
Die neuen Vorschriften gehen jedoch noch weiter, indem sie die Übertragung von Stablecoins nur noch zwischen identifizierten Wallets erlauben. Dadurch verlieren Stablecoins ihren Kernvorteil: schnelle, barrierefreie und direkte Transaktionen ohne unnötige Hürden.
Indem die Finma Identifikationspflichten ausweitet, zerstört sie das inklusive Potenzial von Stablecoins. Die verpflichtende Identifizierung schafft eine unnötige Barriere, die sowohl für Anbieter als auch für Nutzer kostspielig ist. Die Finma zementiert damit die bestehende Struktur an etablierten Playern im Zahlungsverkehr und damit auch deren viel zu hohe Gebühren, unter der etwa der Handel in der Schweiz ächzt.
Diese zu hohen Gebühren zahlen wir als Endkonsumenten alle indirekt in Form von höheren Produktpreisen mit. Stablecoins könnten hier für Bewegung in einen völlig verkrusteten Markt mit viel zu wenig Wettbewerb sorgen, was gut für die gesamte Volkswirtschaft wäre.
«Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen»
Die Anwendungsfälle rund um Stablecoins stehen erst am Anfang. Rund um den Globus ist eine Vielzahl von Startups daran, neue Anwendungsfälle von Bargeld – aber in digitaler Form – zu schaffen. Der Erfolg ist, wie immer bei Innovationen, nicht garantiert, aber das Potenzial gewaltig.
Die Schweiz war lange ein führender Innovationsplatz für die Blockchain-Technologie, was auch etwa unter dem damaligen Bundesrat Ueli Maurer und dem Finma-Führungsgespann Thomas Bauer und Mark Branson mit einer innovationsfreundlichen Auslegung der Regularien gefördert wurde. Es ist besorgniserregend, dass die Schweiz einen ihrer Standortvorteile leichtfertig und ohne Not verspielt.
Das gesamte im Umlauf befindliche Stablecoin-Volumen, das in der Schweiz herausgegeben wurde, beträgt zurzeit bloss rund 1 Million Franken. Angesichts dieses sehr frühen Entwicklungsstadiums, in dem sich der Markt befindet, erstaunt es umso mehr, dass die Finma absatzweise Angstmacherei betreibt und zum Schluss kommt, dass Stablecoins sogar die Reputation des Finanzplatzes Schweiz gefährden.
Das Gegenteil ist offensichtlich wahr: Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen, und als Kollateralschaden leidet die Innovationsfreundlichkeit des gesamten Standorts Schweiz.
«Andernfalls droht ein massiver Rückschritt für die Schweiz als Finanzstandort»
Die Finma setzt mit ihren neuen Regeln das Potenzial von Stablecoins als barrierefreies, digitales Zahlungsmittel aufs Spiel. Die bestehenden Geldwäschereivorschriften sind bereits ausreichend – Identifikationspflichten greifen wie erwähnt bereits ab 1’000 Franken und gehen damit weit über die Anforderungen für physisches Bargeld hinaus. Weitere Einschränkungen sind unnötig und gefährden den Innovationsstandort Schweiz.
Die Schweiz war einst ein globaler Vorreiter in der Finanzinnovation. Nun besteht die Gefahr, dass sie diesen Vorsprung einbüsst. Eine Überregulierung schafft unnötige Hürden, zementiert veraltete Strukturen und zwingt innovative Start-ups dazu, die Schweiz in Richtung EU zu verlassen, wo digitales Bargeld weiterhin barrierefrei zugänglich sein wird.
Der Verlust geht weit über die Blockchain-Branche hinaus – er betrifft den gesamten Finanzplatz und die Volkswirtschaft. Es bleibt zu hoffen, dass es sich hier wirklich um ein grosses Missverständnis handelt und dass die Schweiz auch in Zukunft ein Ort für barrierefreies digitales Bargeld bleibt. Andernfalls droht ein massiver Rückschritt für die Schweiz als Finanz- und Innovationsstandort.
Ralf Zellweger gilt als Veteran der Payment-Industrie und früher Bitcoin-Adopter. Er ist Mitgründer des Unternehmens Centi, das basierend auf dem Centi-Digitalfranken eine Vielzahl barrierefreier Anwendungsfälle gebaut hat, beispielsweise im Bereich der Micropayments.
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